Grüße aus Mittelamerika
Managua Ende September 2024
Anders als bei unserer letzten Versetzung haben wir bereits im Dezember 2023 erfahren, dass es für uns nach Nicaragua geht. Schon kurz darauf kam der Spediteur auf eine erste Einschätzung unseres Umzugsvolumen vorbei. Diese war noch ziemlich vage, denn wir kannten ja die Wohnbedingungen vor Ort noch gar nicht. Sicher war nur, dass das Erdgeschoss und ein Kellerraum leer werden mussten, um die Wohnung mit einem Abstellraum vermieten zu können. Aber so konnte das Umzugsunternehmen schon mal nach einem Plätzchen für unsere Container auf einem Frachtschiff suchen.
Während Willi sämtliche Teller seiner Abteilung für humanitäre Hilfe auf dünnen Bambusstöckern weiter am Rotieren hielt, nahm er Kontakt mit den Kollegen in Nicaragua auf, um unsere Wohnungsbesichtigungsreise zu planen, besuchte ein Kanzlerseminar, buchte ein Länderkundeseminar und suchte nach Mietern für unser Berliner Haus – neben all den Sachen, die ein Umzug üblicherweise so mit sich bringt: Adressummeldungen, Hausratversicherung updaten, nach Berlin und Ausland aufteilen, Abmeldung, Pässe verlängern, Arztbesuche...(Letztere nehmen auch immer mehr Zeit in Anspruch, weil ein Arzt zum nächsten weiterschickt und die Diagnose heißt auch nicht mehr: „o.B. – ohne Befund“, sondern „altersgerecht“! Weiß gar nicht wie man die ganzen Weißkittel im nächsten Heimaturlaub zeitlich unterbringen soll!) Wie auch in den vergangenen 3 Jahren blieb eigentlich kaum noch Zeit für Privatleben. Man sah Willi nur noch am Schreibtisch.
Ich war für den praktischen Teil des Umzugs zuständig und mutierte zur Kellerassel, denn dort war die größte Baustelle. Saubermachen, sortieren, entsorgen und Punkte kleben. Ja, Punkte kleben: rot für kann in Deutschland bleiben, gelb für kann mit, wenn man vor Ort genug Platz hat und grün muss unbedingt mit. Gut, dass es nur diese drei Varianten gab, denn bei meiner Entscheidungsfreudigkeit hätte ich auch gerne hellgrün und orange geklebt!
Sobald man also seine „Diagnose“ vom Dienstherrn bekommen hat, tickt die Uhr irgendwie rückwärts. Man wird von der immer länger, statt kürzer werdenden „To Do“ Liste verfolgt und möchte die verbleibende Zeit nochmal für all die Dinge nutzen, die während der verstrichenen Standzeit irgendwie doch nicht realisiert worden waren. So ein wenig „Carpe Diem“ ist uns auch gelungen. Ich wurde zu einem klassischen Konzert eingeladen (Danke nochmal Sonja), unsere Kinder schenkten uns Karten für den Auftritt der japanische Trommlergruppe „Kokubu“(beeindruckend), von seiner Abteilung bekam Wili einen Besuch für den Quatsch Comedy Club (einfach nur klasse!), mit meinen Freundinnen verbrachte ich noch ein wunderschönes Wochenende in Bad Saarow am See. Die eigentlich an diesem Wochenende geplante Frauentour meiner Karlshorster Gruppe nach München fiel auf Grund des Bahnstreiks leider aus. Wir Zurückgebliebenen trösteten uns recht vorbildlich mit einer fetten Pizza an der Spree und einer etwas abenteuerlichen Entdeckungstour durch das ehemalige Funkhaus in Berlin.
Dann ging es wieder weiter mit den Vorbereitungen und je kürzer die verbliebene Zeit, desto höher die Schlagzahl des Galeerentrommlers. Der Venendoktor musste doch nochmal an meinem Bein rumfummeln und die Hautärztin wollte meine Musterung dezimieren. Natürlich ziehen alle diese Termine einen Nachsorgetermin nach sich und weil alle diese Ärzte in der entferntesten Ecke der Stadt liegen, ist jedes Mal ein halber Tag futsch – meist für gerade mal 2 Minuten drauf gucken! Genauso wie für den Spanisch Unterricht, den wir nun 2x wöchentlich im Amt für eineinhalb Stunden haben. Also Kellerassel raus aus´m Keller, schrubben und rein in die Verkleidung. Watn Gewusel für 1 ½ Stunden! Aber so haben die „Nicas“ vielleicht ein wenig mehr Mitleid mit uns, wenn wir ihnen wenigstens
etwas hinstammeln. Ja, ja, wir sprachen mal so leidlich portugiesisch oder besser brasilianisch, aber das verhält sich so wie mit den Jägern in der Vielfalt des tropischen Regenwaldes. Tarnen sich als friedliche Blüte und ZACK – wieder reingefallen! Brauchte hier einen Besen, fragte nach einer „vassoura“ (das V wird wie ein B ausgesprochen, was ich auch artig tat, wie es uns unsere Lehrerin beigebogen hatte) und ernte einen Drei-Fragezeichen-Blick der Verkäuferin, weil ich Müll kaufen wollte!! Die dachte bestimmt: „Los cheles son locas!“ Die Weißbrote sind verrückt!
Aber halt, noch sind wir ja gar nicht in Mana…. Während wir also weiter an unseren Fronten kämpfen, kommt aus der Nachbarschaft schon weitere Unterstützung in Sachen Vorbereitung. Ich wusel gerade in der Stube herum, als mir plötzlich der Boden unter den Füßen bebt und die Gläser in der Vitrine klirren. Die Abrissarbeiten auf dem benachbarten Grundstück hatten begonnen. Ein altes Mauerstück schien etwas unkontrolliert umgestürzt zu sein. Wir wurden ja bereits vorgewarnt und eine Gutachterin, die mit ihrer Stirnlampe und ihrem Equipment eher an eine Höhlenforscherin erinnerte, inspizierte jedes angrenzende Haus, um etwaige bereits vorhandene Schäden im Mauerwerk zu dokumentieren. Zusätzlich wurde ein -keine Ahnung wie man das nennt- Seismeter vielleicht, bei unseren Nachbarn im Wintergarten eingerichtet, um den fleißigen beiden Zweinzelkämpfern auf die Baggerschaufel klopfen zu können, falls die nicht behutsam genug mit den Steinchen umgehen würden! Ansonsten gewöhnten wir uns notgedrungen an die Vibration von 7 bis 16 Uhr, jedoch nicht an das Quietschen des scheinbar jahrelang ungeölten Baggers. Die Nackenhaare stellten sich jedes Mal völlig autark auf! Unsere Nachbarn Elke und Helmut können den schleichenden Prozess täglich verfolgen, da das Grundstück unmittelbar an das ihre grenzt. So bleiben wir auch weiterhin auf dem Laufenden, ob die Erweiterung der Grundschule Karlshorst wohl noch die jetzige Generation der Schüler beherbergen wird oder erst die nächste…oder übernächste. Denn als Zwei-Mann-Mannschaft ist das Vorankommen natürlich begrenzt und außerdem muss jeder Brocken vorschriftsmäßig sortiert werden und kann nur abgefahren werden, wenn eine passende Deponie entsprechende Kapazitäten frei hat. Und auch die Schutzzonen für Fledermaus und Igel werden so gut es geht berücksichtigt. Und der arme Olli (auch ein Nachbar) wird wohl noch eine ganze Weile mit den Beeinträchtigungen während der Verrichtung seiner Arbeit zurechtkommen müssen.
Weiter mit den Vorbereitungen: Man glaubt gar nicht, wie viel Zeit man mit dem Thema „Sandalen“ zubringen kann. Aufgrund meines ungeeignet deformierten Halte-oder-auch-nicht-Apparates muss ich Einlagen tragen. Jede Zuwiderhandlung rächt sich mit Ibuprofen. Nun gestaltet es sich schwierig in offenen Schuhen Einlagen unterzubringen. (Ja, man ist hier froh, über jeden Zeh, der frische Luft kriegt, sofern er mit Sonnencreme geschützt ist.) Aber da ich ja stets, naja meist - okay manchmal- auch gut vorbereitet bin, nehme ich die Beschreibung der „my-Vale“ nach Abdruck angepassten online bestellbaren Sandale gleich mit zum Orthopäden. Der befindet diese auch als tauglich und nach 3x hin und her mit der Krankenversicherung, in deren Katalog eine solche Maßnahme nicht enthalten ist, finden wir dann doch noch den richtigen Zauberspruch für das Rezept! Und das, wo der Trommler auf der Galeere doch schon Samba Rhythmen anschlägt und die Fußbekleidung fast zwei Monate bis zur Fertigstellung braucht…Aber, um das Happy End vorwegzunehmen: Hat sich gelohnt, die Mühe!
Dann wird die übrige Zeit auch sehr übersichtlich und der Kalender immer zugepackter. Wir fahren noch einmal nach Norddeutschland. Die Kinder kommen auch angereist und wir gehen mit den Groß/Eltern und Gerald (Willis Bruder) noch einmal als große Mannschaft schön essen. Ich gönne mir noch eine weitere Woche in Hohenaverbergen, verbringe noch ein wenig Zeit mit meinen Eltern - nochmal ein wenig Heimat tanken. Am Wochenende drauf werde ich von meinen Freundinnen aus Berlin besucht und wieder mit abtransportiert. Danke euch dafür!
Kaum zurück wird schon wieder eine Reisetasche gepackt. Wir sind zu einem runden Geburtstag auf die Insel Föhr geladen. Weiter Weg, tolle Insel! Wir haben die kurze Verschnaufpause in der schönen Kate und mit Freunden zu feiern sehr genossen und nochmal Kraft für den Endspurt getankt. Vielen Dank für die schönen Erinnerungen!
Am 29. Mai ist es dann soweit, dass wir unseren neuen Lebensmittelpunkt kennenlernen dürfen. Naja, kennenlernen ist wohl für das stramme Programm übertrieben – eher beschnuppern, um es mal kynologisch auszudrücken. Das Erste was mir in den Sinn kommt: Scheiß lange Fliegerei! Man ist eigentlich mehr oder weniger 24 Stunden unterwegs je nach Wartezeit auf den mindestens zwei Flughäfen, die man ansteuern muss, um Managua zu erreichen.
Auf der Schatzsuche nach einem neuen Zuhause schauen wir uns als erstes das Haus des Kollegen an, der bereits auf den nächsten Posten weitergezogen ist. Wir hatten vorab schon ein paar vielversprechende Fotos von ihm geschickt bekommen, wollten aber natürlich nicht die Katze im Sack, äh, mieten, und so wurde der zum Glück geduldige Vermieter gebeten unsere Besichtigung mit eigenen Augen abzuwarten, bevor er es wieder auf den Markt anbietet. Was soll ich sagen? Kommt ziemlich selten vor, aber wir waren uns mal auf Anhieb einig, dass es uns beiden gefällt!
Wir klapperten noch 15 weitere Häuser mit zwei Maklerinnen (nacheinander) ab, um dann zu dem Ergebnis zu kommen, dass 99% der 0-8-15 Häuser nicht an „unser Haus“ heranreichen konnte. Zum Vergleich: in Vietnam hatten wir uns in einer Woche ganze 40 Objekte angesehen! Man war das eine anstrengende Geschichte! Man hatte nur noch Marmelade im Kopf! Und am Ende der Woche war NIX Brauchbares dabei gewesen! Aber das war hier leider auch nicht viel anders. Sie waren alle teurer, obwohl „unser“ Vermieter seine Miete nun nach 5 Jahren auch angehoben hatte. Zudem hatte es einen zwar schmalen, aber im Schatten gelegenen Pool! (Schon mal über ne heiße Herdplatte zum ersehnten kühlen Nass gehüpft, um dann festzustellen, dass man sich wie ein Hühnchen in der Suppe fühlt? Und ja, wer seine Muskeln irgendwie bei 35°C Hitze kontrahieren lassen möchte, tut dies gerne im Pool. Es sei denn, man gehört zu den jungen, drahtigen Sorte Mensch, die sich bei Klimaanlagenbetrieb an Geräten zu schaffen macht.) Somit waren wir beide froh, uns eine heiße Debatte ersparen zu können und sahen einer problemlosen Genehmigung durch das Amt entgegen, da es ja bereits für den Kollegen abgesegnet wurde und für sicher und ortsangemessen befunden worden war. Weit gefehlt!!!
Während wir uns nach unserer Rückkehr sogleich zum Länderkundeseminar nach Bonn auf den Weg machten, wurde der Mietvertrag der entsprechenden Stelle des Auswärtigen Amts zur Genehmigung vorgelegt. Derweil wurden wir in der ehemaligen Hauptstadt mit allmöglichen Informationen zu Land und Leuten gefüttert. Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen, aber ein Video zu den Unruhen im Jahr 2018 hat mich sehr bewegt und so manches Mal fragte ich mich, ob es die richtige Entscheidung war, diesen Posten angenommen zu haben. Eine zugeschaltete „Nica-Expertin“ sagte dann auch ganz ehrlich: „Beneiden tue ich Sie nicht!“ Aber nach all den vielen Arbeitsstunden, die wir nun schon in das „Projekt Umzug“ gesteckt hatten und es außerdem auch gar keine „Traumposten“ zu geben scheint, wollten wir es nun auch durchziehen. Wir hatten ja auch schon auf so manchen Pöstchen, die als bedenklich eingestuft waren, eine gute Zeit mit vielen positiven Erinnerungen. Und in Berlin wackelt der Boden ja auch gerade…
Kaum wieder zurück, musste Willi der Genehmigung für unsere neue Bleibe hinterher mailen. Normal dauert so eine Proforma Sache 3-4 Tage. Gleichzeitig musste er sich mit den Kosten für die Einlagerung unseres Hab und Guts, dass in Deutschland bleiben sollte herumschlagen. So viele Leute glauben, der Arbeitgeber würde einem die Hand reichen und zur Seite stehen, den Weg ebnen. Willi musste für diesen Umzug die Steine des Erbsandsteingebirges aus dem Weg stemmen und tut es noch!
Ich befasste mich derweil mit den gelben Punkten, die nun definitiv rot oder grün werden mussten. Vor meinem inneren Auge sah ich mich schon mit Türschlossenteiser in Managua stehen, während das Schimmelspray in Berlin auf seinen Einsatz warten würde. So versuchte ich die Dinge auch räumlich schon zu separieren. Am Ende konnte man nur hoffen, dass man ein paar halbwegs fitte Packer erwischte, die hoffentlich nicht farbenblind sein würden!!
Willis grauen Haare wechselten allmählich in schneeweiß und seine Gesichtsfarbe sah schon nach „bleibt in Deutschland“ aus! Die Dame, die grünes Licht für das Haus geben sollte, verweigerte die Genehmigung! Wir fielen aus allen Wolken! Ihr Argument: wenn das Objekt schon so lange von Botschaftsangehörigen gemietet worden war, solle der Vermieter eher eine günstigere Miete anbieten, statt diese zu erhöhen. Ich war wirklich sprachlos und brauchte eine Weile um das überhaupt zu verarbeiten. Da erklärt man sich bereit, für 4 Jahre in ein Land mit Vogelspinnen, Schlangen, Skorpionen, möglichen Erdbeben, Taifunen, Vulkanausbrüchen und Unruhen zu gehen, übernimmt das Haus, dass bereits sicherheitsüberprüft und am günstigsten von allen zur Verfügung stehenden Objekten ist und bekommt dann eine rote Karte???? Häh?
Fragt mich nicht wie, aber mein Mann, ganz der Diplomat, den man im eigenen Haus wohl besonders herauskehren muss, hat es irgendwie hinbekommen die Frau zu überzeugen. Aber diese drei Wochen, die wir völlig in der Luft hingen, haben wirklich an uns gezerrt. Wenn wir dieses Haus nicht bekommen hätten, wäre ich nicht mitgeflogen. Wir wussten ja nun aus der Erfahrung vor Ort, dass es keine günstigeren Objekte auf dem Markt gab. Und im Slum wohnen dürfen wir (zum Glück) auch nicht. Und für Monate in einer Übergangsbudse ohne Beschäftigungsmöglichkeit zu wohnen, bis sich vielleicht irgendetwas ergeben hätte, diese Opferungsbereitschaft habe ich dem Amt gegenüber nicht (mehr).
Endlich wieder im Fahrwasser koordinierte Willi die Abgabe unseres Autos. Anders als früher, wurde es nicht abgeholt, sondern musste zur Spedition gefahren werden. Der Tank möchte bitte leer sein! Anschließend wird der Wagen aus Sicherheitsgründen in einem separaten Container verschifft. Nein, mal eben Schlauch rein und absaugen geht heutzutage nicht mehr. Wir hatten in der Vertragswerkstatt gebeten, den Tank nach der Inspektion weitgehend leer zu machen. Kein Problem - 200€ extra (!), weil man da irgendwie erst kompliziert ausbauen muss. Oh Mann! Man hat wirklich manchmal das Gefühl, man hätte ….. auf der Stirn stehen! Wir entschieden uns dazu, am Sonntag vor der Abgabe am Montag noch eine „SpriT-Tour“ zu machen! Auch die natürlich so exakt wie möglich von meinem Göttergatten berechnet! Nicht, dass ihm langweilig wird!
Anfang Juli ist es dann soweit. Die Klebebandabroller quietschen und unser Leben verschwindet in Kartons. Wie immer versucht man die dreckige Wäsche zu verstecken und die Mülleimer leer zu machen, bevor sie verpackt werden. Es ist gut, dass das oberste Stockwerk vom Umzug verschont bleibt, so können wir all diese Dinge noch wie bei einer anrollenden Flut dorthin in Sicherheit bringen. Ja, irgendwie fühlt man sich auch so ein wenig wie ein Flutopfer! Schwupp – alles weg! Zum Glück kriegt wir es ja wieder – hoffentlich!
Nun ist alles auf unserer Liste abgearbeitet und wir fühlen uns ein wenig wie sich wohl Astronauten in der Quarantäne fühlen mögen, bevor sie auf einen entfernten Planeten geschossen werden. Aber wir genießen diese letzten Tage nochmal mit deutschen Backwaren, mit Freunden essen gehen und mal ausschlafen.
Die Fiffi-Feger bereiten uns eine wunderbare Abschiedsfeier mit allen möglichen selbstgemachten Leckereien und tragen sogar ein Ständchen vor. Gemeinsam spülen wir den Kloß im Hals mit einem Snäpschen „Flor de Caña“ (Nicaraguas Number one Aushängeschild) herunter.
Die nun noch verbleibenden Tage nutzte ich, um das Erdgeschoss zu wienern und den Garten auf Vordermann zu bringen. Schließlich sollten sich unsere neuen Mieter auch wohl fühlen. Leider erschießt mich bei der Gartenarbeit in der hintersten Zaunecke die Hexe und ich komme um eine Spritze und ein paar Muskelrelaxern nicht drumrum. Wie überstehe ich so bloß den langen Flug, wenn ich nicht mal weiß, wie ich in oder aus der Badewanne kommen soll??
Die Container sind also auf dem Weg nach Hamburg, um ihre ca. 4-wöchige Schiffsreise anzutreten. Wir packen das letzte Hab und Gut (ein paar Klamotten, die nicht mehr in unsere je 2 Koffer passen, einen Medikamentenvorrat und noch ein wenig Kleinkram) in eine große Blechkiste und einen weiteren Koffer als unbegleitetes Luftgepäck, welches per separatem Flieger vor dem Umzugsgut (sozusagen als Erstausstattung) ankommen soll. Die Betonung liegt hier auf „soll“. Aber dazu später mehr.
Am 31. Juli starten wir wieder einmal in einen neuen, unbekannten Lebensabschnitt. Zum Dienstantritt dürfen wir glücklicherweise Businessklasse fliegen, sodass wir für die erste Zeit (bis der Container kommt) mit unseren Klamotten hinkommen müssten. Zur Not muss man es im Hotel Hyatt halt waschen lassen. Beim Einchecken in Berlin treffen wir auch den Botschafter und seine Familie. Sie werden zwei Stunden nach uns in Managua eintreffen. So der Plan…
Und ja es ist nett, wenn man in einem bequemen Sessel in ruhiger Atmosphäre mit einem guten Kaffee in der Hand auf den Weiterflug warten kann, anstatt wie beim Herdentrieb in einem Verschlag zwischendeponiert zu werden. Der lange Flug bis nach Miami ist dann auch wirklich entspannt, man kann die Beine komplett ausstrecken und muss sich für die Nahrungsaufnahme nicht bewegen und es fehlt eigentlich nur noch, dass man gefüttert werden würde. Ein ungewohntes Gefühl so lange auf einem Fleck unbewegt nichts zu tun! Ein Gefühl, dass nach 11 Std. seine Positivität verliert! Aber nun liegt die lange Etappe ja auch hinter uns, man kann sich am Flughafen etwas die Beine vertreten, bevor man das letzte Stück über das Karibische Meer angeht.
Das Businessgefühl verliert sich beim Einchecken, denn die Räumlichkeiten sind begrenzt und viele „Nicas“ kommen mit viel Handgepäck aus den USA nach Hause, etliche Gebrechliche werden mit Rollstühlen befördert und kurze Menschlein quäkeln rum, weil sie völlig übermüdet sind. Wir auch…
Endlich sitzen wir in der Maschine. Auf der gegenüberliegenden Seite in derselben Reihe sitzt ein Mann, der uns schon beim Einchecken in Berlin begegnet ist. Und weil es mit dem Losfliegen irgendwie ewig zu dauern scheint, kommt man ins Gespräch. Er reist mit seinem Sohn, um den Vater zu besuchen, der sich in Nicaragua zur Ruhe gesetzt hat. Als er sich mit Namen vorstellt, weiß ich auch wer sein Vater ist! Der letzte DDR Botschafter vor der Wende. Warum ich das weiß? Nicht, dass ich mir all die Namen aus den geborgten Büchern hätte merken können, nein – zwei meiner Fiffi Feger waren zu dieser Zeit hier in Managua und haben mich gebeten, ihm Grüße auszurichten, sofern ich ihn mal antreffen würde. (Danke euch nochmal für die aufschlussreiche Lektüre!) Auftrag ausgeführt!
Als sich nach unserem Smalltalk immer noch nichts tat, wurde man doch auch als Erwachsener quengelig. Doch nur noch 2 ½ Stunden bis zum Ziel und dem heißersehnten Bett! Aber nein – nix. Irgendwann meldete sich dann doch mal der Kapitän mit der Erklärung, dass es ein technisches Problem gäbe, an dem sich nun 4 Techniker zu schaffen machten, um es zu beheben. (If it´s Boeing – I`m not going ) Sie haben sich dabei verhoben und so mussten alle Greise wieder abtransportiert, heulende Kids wieder in Buggies bugsiert und alle Koffer wieder ausgeladen werden. Eine neue Maschine wurde aus dem Stall geholt. Das dauerte natürlich. Einen Teil dieser Zeit brachten die Passagiere damit zu das neue Gate ausfindig zu machen. Da hilft dir Business dann auch nix!
Nach 27 Stunden erreichten wir gegen 23 Uhr (7Uhr nach deutscher Zeit) immer noch am 31. Juli unser Ziel und unsere Koffer auch! Halleluja! Wir wurden von einem Fahrer und einer Kollegin abgeholt, die auch nicht zu beneiden waren, denn Wartende müssen hier außerhalb des Gebäudes bleiben! Zum Glück regnete es nicht und die Sonne knallte ja auch nicht mehr. Allerdings meinte mein Körper sein Mitgefühl auf die eigene Körperhülle zu beschränken und ich musste wirklich kämpfen, um noch ein paar nette Floskeln auf den Weg zu bringen. Der Botschafter hatte mehr Glück, keine Verspätung und war bereits in der Residenz eingetroffen. So kann es gehen im Leben! Irgendwann konnten wir dann auch in unser Hotelzimmer. Mit letzter Kraft suchte ich Willi noch ein paar Sachen für den ersten Arbeitstag raus, der in ein paar Stunden beginnen würde.
Bei ihm ging es gleich ins Eingemachte. Der Schreibtisch bog sich und tausend Dinge wollten gleichzeitig auf den Weg gebracht werden. Ich genoss derweil das Ausschlafen nach dem langen Flug, nutzte den Pool und genoss das tolle Frühstücks-Büfett. Den nächsten Tag stand ich dann aber auch solidarisch mit Willi auf, frühstückte mit ihm und...legte mich dann wieder hin! Und blieb dann auch liegen, denn irgendetwas hatte ich aus dem Flieger wohl mitgebracht. Nach 2 Tagen und ein wenig Paracetamol war der Spuk dann zum Glück auch vorbei – beziehungsweise weitergegeben. Denn nun quälte sich Willi damit herum. Musste auch eine Auszeit nehmen (zumal man nicht genau wusste was es war). Zum Glück hatte man den Luxus, sich einfach hinpacken zu können und es auszuschlafen.
Dann ging unser Hoteldasein weiter. Aber wie das so ist, wenn man jeden Tag Sahnetorte essen kann, es verliert seinen Reiz und spätestens am Tag 20 stieß man sich an dem Türgeknalle der anderen Hotelgäste um 3 Uhr am Morgen oder ärgerte sich, dass auch der zweite der beiden Fahrstühle erneut ausgefallen war und man das nicht mehr so schicke Treppenhaus (sah wirklich nach NOTausgang aus) benutzen musste, dass während des Regens auch voller Pfützen war. Das Frühstück war nach wie vor toll. Leider konnte ich es gar nicht so richtig auskosten, weil ich so früh am Tag schon satt bin, wenn ich nur sehe, wie andere die dicken fetten Würstl in XXL Portionen auf die großen Teller schaufeln. Amerikanische Wrestler statt „Volle Kanne Frühstücksfernsehen“ ist auch nicht unbedingt Appetit fördernd. Genauso wenig wie Schlange stehen, um für Nahrung zu kämpfen - so gar nicht mein Ding. Wäre ich als Neandertaler geboren worden, wäre ich unweigerlich verhungert! Die Bedienungen waren aber wirklich lieb. Mittlerweile kannten Sie unsere „Habits“ und das Wasserglas wurde nur zur Hälfte gefüllt, damit wir den Saft dazu mischen konnten und das Papiertütchen Salz (Tüte statt Streuer, weil sonst ein Klumpen, egal ob mit oder ohne Reis) lag bereit, sobald ich mal ein Spiegelei an den Tisch gebracht bekam. Raoul bemerkte sogar einmal besorgt, dass ich so wenig essen würde. Aber so im Gewusel frühstücken ist eben nicht so mein Ding, bin mir manchmal selbst schon zu viel so früh am Morgen und den Smalltalk dann schon auf Spanisch führen zu müssen ist für mich eine echte Herausforderung. Außerdem verbraucht man als „Geparkte“ ja auch nix von den flott mal konsumierten Kalorien. Da wir auch noch keine lokalen Ausweise hatten, traute ich mich nicht alleine irgendwo rumzustromern. Die Taxi-App funktionierte auch noch nicht, wie auch mancherlei andere technische Funktion. So nutzte ich dann ab der zweiten Woche, wie die Knackis im Fernsehen, die Mukkibude der Einrichtung. Natürlich ohne Gewichte, nur den Stepper oder wie das Ding mit Arme und Beine gleichzeitig heißt. Und natürlich nur, wenn sonst keiner da war!! Danach Pooldusche und Wassergymnastik. Wieder ne Stunde totgeschlagen! Yeah!
Wecker brauchte man auch nicht zu stellen für das Nach-dem-Frühstück-Nickerchen, denn jeden Morgen um 9 Uhr schaltete sich der Fernseher wie von Zauberhand ein. Beim ersten Mal bekam ich fast einen Herzinfarkt! Vermutlich will man damit die Schlafmützen aus den Zimmern kriegen, damit die Putzis rein können. Mit meiner Karla kam ich zu dem Deal, dass es ausreicht, wenn sie jeden zweiten Tag im Zimmer rumwuselt. Nachdem sie meine Wäscheleine aus Koffergürteln gesehen hat, schien sie mich wohl auch als „alleine überlebensfähig“ eingestuft zu haben. Ja, auch mit Wäsche waschen kann man Zeit totschlagen. Zum Glück gab es auch ein Bügelbrett. Ich glaube, Willis Hemden waren noch nie so platt!
Gleich in der zweiten Woche machten wir die 1. Nica-Erfahrung mit dem „Zittern“, dem „temblor“. Bevor man die Erschütterung richtig realisiert hatte, war sie auch schon wieder vorbei. Am Tag darauf erhielt man die genauen Messdaten wo genau es in wie viel Kilometer Meerestiefe an der Pazifikküste zu einer Reibung der Erdplatten gekommen war. Vorher wäre mir lieber gewesen! Doch anderes als Abrissarbeiten auf dem Nachbargrundstück! Der lokale Umgang mit diesem Naturphänomen: man wackelt einfach mit! Wir besuchten fast alle Restaurants der näheren Umgebung so häufig, dass wir von allen Gästefängern (gibt es für die auch eine Bezeichnung?) persönlich begrüßt wurden, und es gab nicht ein Restaurant, wo nicht irgendetwas gewackelt hätte! Der Boden eines Glases, der Tisch oder der Stuhl. Man sollte eigentlich schon eine paar Keile als Standartausrüstung in der Handtasche haben! Aber dann ließe sich ein Tremblor auch nicht so leicht kaschieren!
Die angeblich nur ein paar Minuten andauernden Stromausfälle waren wohl auch eher Nica-Zeitmessung. Durch die Generatoren wird es natürlich kompensiert und man gewöhnt sich auch an das Rattern und Brummen, der großen Motoren. Wir sind sehr froh, dass wir auch einen Kasten in der Größe eines Minis beim Carport haben, der mit seiner Automatikeinschaltung dafür sorgt, dass das Gefriergut gefroren bleibt. Eine Sorge weniger!
Wo wir gerade bei Nica-Zeitmessung waren… Eröffnung eines lokalen Bankkontos: 2 Stunden, 20 Seiten Papier. Netterweise haben wir Neuankömmlinge es alle gemeinsam gemacht und gleich mal 3 Schalter belegt. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Ein Lokalangestellter der Botschaft schaute den Angestellten dabei immer wieder mal über die Schulter und erklärte ihnen die Eigenheiten eines deutschen Passes, um es formgerecht auf die Bankformulare zu puzzeln. Das sollte mal einer bei einer deutschen Bank wagen!
Abschluss eines Telefonanschlusses samt TV und Handy Paket: 2 ½ Std und 8 Seiten.
Änderung der TV-Kanäle und Beantwortung von 4 Fragen: 2 Std. eine Seite.
Fazit: Wenn du mal wieder ein Deutschland-Temperatur-Gefühl erleben möchtest – ab mit ein paar Fragen zur Telefongesellschaft. Die Schalterhalle dort ist so gekühlt, dass man schon einen Glühwein mitnehmen möchte! Danach biste wieder froh in Nicaragua zu sein!
Als der erste Monat im Hotel rum, mein Buch ausgelesen und das Puzzle ausgepuzzelt war und der Container noch irgendwo rumschipperte, zog sich die Zeit immer mehr wie Kaugummi.
Selbst die Luftfracht war noch nicht angekommen, dabei hätte die schon längst da sein sollen. Als das Umzugsunternehmen nachfragte, wurde nur lapidar von der Fluggesellschaft mitgeteilt, da wäre irgendwas ausgelaufen, würde stinken und sie würden es nicht mehr weiter transportieren. Wenn es nicht abgeholt werden würde, müsste man es vernichten. Wir waren sprachlos! Die Sachen sind in einer Blechkiste und in einem Koffer und zusätzlich noch mit Folie verpackt worden. Endlich durfte Willi wieder einmal ein Problem angehen und kurbelte, wo immer es eine Kurbel gab. Der Mensch in Deutschland war auch schon ganz verzweifelt mit diesem Umzug. Die Kollegen hatten ihren Umzug bereits bekommen und das obwohl deren Umzug viel kurzfristiger geplant worden war. Es machte sich allmählich ganz schön Frust breit, zumal es alles Dinge waren, die sich nicht wirklich beeinflussen ließen.
Dann kam die Nachricht: Der Container mit dem Auto ist im Zollager eingetroffen! Von dem Container mit unserem Hab und Gut – keine Silbe. Warum? Keinen Clou! Willi fuhr mit dem hiesigen Spediteur ins Zolllager, wo der Container geöffnet wurde und der Wagen auf sehr abenteuerliche Weise über zwei Bohlen herausgefahren wurde. Ein, zwei Mal kamen Willi dabei dermaßen die Fußnägel hoch, dass er intervenierte um Schlimmeres zu verhindern. Nun musste der zuständige Beamte nur noch die Papiere prüfen und der Wagen könnte dem hiesigen TÜV vorgestellt werden. Dann hätten wir endlich einen fahrbaren Untersatz. Tja, was soll ich sagen – das wäre das erste gewesen, was bei diesem Umzug rund gelaufen wäre… Der Beamte meinte, dass Auto wäre zu alt, um eingeführt zu werden. Nun kamen Willi auch noch die weißen Nackenhaare hoch. Jegliches Diskutieren war aber vergeblich und wir mussten weiterhin im Hotel festsitzen. Der Umweg über das Außenministerium musste gemacht werden, damit jemand dem Mann erklären würde, dass es sich bei der monierten Zahl nicht um die Fahrgestellnummer handelte, sondern um das Datum der Typenzulassung für europäische Straßen. Komischerweise hatten die anderen Kollegen dieses Problem nicht…Irgendwie ist bei unserem Umzug der Wurm drin – oder eher eine ganze Wurm-Kolonie! Nach einer weiteren Verzögerung steht der Wagen nun aber endlich mit gelben CD Kennzeichen im Carport. In der Hoffnung, dass uns das etwas vor Beamten schützt, die vielleicht auf Bakschisch warten…
Doch nach 42 Tagen im Hotel und 10 Tagen nach Eintreffen des Autos war es dann soweit, dass ich abgeholt wurde und wir von einem Fahrer zu unserem neuen Zuhause gefahren wurden, um unser Umzugsgut in Empfang zu nehmen.
Ruckzuck hatte die Mannschaft den Container leer, ausgepackt und Möbel aufgestellt. Ein paar Tage später kamen sie noch einmal mit der Bohrmaschine, um Dinge aufzuhängen. Wirklich saubere Arbeit und ein nettes Team obendrein. Die darauffolgende Woche fand schon alles seinen Platz. Willi im OG, ich im EG zugange. Wir waren müde, aber hatten auch ziemlich schnell ziemlich viel geschafft. Man hatte ja auch Zeit genug gehabt, um im Geiste schon einmal alles einzusortieren. Zwischenzeitlich waren wir schon einmal mit dem Taxi zum Haus gefahren (der Wagen steckte ja noch fest), um Wasser zu deponieren und die Schränke auszuwischen.
Nun steht schon fast unser Nationalfeiertag vor der Tür und ich bin froh, dass meine Verkleidung da ist. Wir schlafen auf den neuen Matratzen sehr gut und werden von den Papageiengeschnatter geweckt. Der Trompetenfrosch hupt am Abend und der Gecko schimpft darüber. So allmählich gewöhnt man sich an die neue Welt und ich strecke langsam meine Fühler aus. Jacky hat ihre erste Woche als meine rechte Hand in Sachen Haushalt für zweimal die Woche zu meiner vollen Zufriedenheit gemeistert und ist mir eine große Hilfe vernünftige, lebensnahe Vokabeln zu lernen.
Ignacio, der Gärtner versteht auch so langsam, dass er mich vor 8 Uhr im Nachthemd aufscheucht und unsere noch sehr kryptische Kommunikation wird allmählich fließender. Und Senhor Torre kümmert sich um unseren Pool, in den ich mich jetzt begeben werde!
Ach und ein hilfsbereiter Kollege aus Miami hat sich die Mühe gemacht unsere Luftfracht im Flughafen einmal in Augenschein zu nehmen. Seine Beurteilung: „Ich kann keine Beschädigung feststellen und es riecht auch in keiner Weise merkwürdig. Ein Umpacken in neue Behälter ist m. E. nicht notwendig.“ Da fällt einem doch nichts mehr zu ein. Wieder einmal sprachlos!
To be continued, wenn ich meine Sprache wiedergefunden.
Liebe Grüße an alle, die mit uns fühlen!